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Jahrestagung 2012


 

Donnerstag 4. Oktober 2012, 14.15 bis 17.00 Uhr
im Rahmen des Soziologiekongresses in Bochum/Dortmund

Die diesjährige Jahrestagung der ASI findet im Rahmen des Soziologiekongresses statt. Dazu konnten wir renommierte Referentinnen und Referenten zum Themenfeld ‚Migration und Bildung‘ gewinnen. In der soziologischen und politischen Diskussion gewinnt dieses Thema zunehmend an Bedeutung und generiert empirische Studien. Die drei Referate geben Einblick in die theoretische Debatte und laufende Forschung.

Polnische und türkische Neuzuwanderer in Deutschland

Prof. Dr. Claudia Diehl, Universität Göttingen

Es spricht viel dafür, dass die ersten Jahre nach der Zuwanderung eine besonders interessante und dynamische Phase im Integrationsprozess darstellen. Allerdings werden in den verfügbaren Surveys nur vereinzelt Migranten mit einer kurzen Aufenthaltsdauer im Zielland befragt, so dass über diese Gruppe bislang keine gesonderten Aussagen gemacht werden können. Anhand von Daten aus der ersten Welle des SCIP Projekts, einer Befragung von rund 8000 Neuzuwanderern in vier europäischen Destinationen, werden erste Befunde zu türkischen und polnischen Neuzuwanderern in Deutschland vorgestellt.

Im Zentrum des Vortrags steht die Frage, in welchem Verhältnis Identifikationsmuster und die frühe strukturelle Eingliederung bei beiden Gruppen stehen. Dazu wird zunächst analysiert, wie sich polnische und türkische Neuzuwanderer im Hinblick auf die Stärke ihrer Identifikation mit dem Ziel- und Herkunftsland unterscheiden und wie kompatibel diese unterschiedlichen identifikativen Bezüge faktisch und in der Wahrnehmung der Befragten sind. In einem zweiten Schritt sollen diese Identifikationen in Bezug zu strukturellen Merkmalen der Neuzuwanderer wie ihrem Bildungsniveau, ihrer frühen Positionierung auf dem Arbeitsmarkt des Ziellandes und ihrer migrationsbedingten Auf- oder Abwärtsmobilität gesetzt werden.

Dabei wird zum einen erwartet, dass die bikulturelle Identifikation mit Herkunfts- und Zielland bei den türkischen Neuzuwanderern weniger verbreitet ist als bei den polnischen. Zum anderen wird davon ausgegangen, dass bei türkischen Neuzuwanderern ein stärkerer Zusammenhang zwischen der Identifikation mit dem Zielland und der strukturellen Eingliederung besteht als bei den Polen. Dies wird auf den geringeren sozialen Gruppenstatus der türkischen Migranten und die für diese Gruppe salienteren ethnischen Grenzziehungen zurückgeführt.

Gender Inequalities in the Education of the Second Generation? A Comparative Study.

Prof. Dr. Cornelia Kristen & Dr. Fenella Fleischmann, Universität Bamberg

Much of the literature to date has either focused on gender differences or on ethnic/racial differences in education, usually focusing on one to the exclusion of the other. This contribution takes a different approach by capturing the interaction of gender and immigrant origin in comparison to the majority population. Western countries in recent decades have seen a reversal in gender inequalities, with girls overtaking boys (especially in school performance). In contrast, many ethnic minorities come from countries where male advantage in education remains very strong at all levels. A key question therefore is whether minorities, especially those from more traditional cultural backgrounds, have ‘assimilated’ to western patterns of female success, and at what stages of the educational career. Can the legacy of traditional gender patterns still be seen among some second-generation groups in Western countries? Does this vary across countries, with more open systems such as the US or British ones allowing traditional gender preferences to be continued and more ‘dirigiste’ systems such as the Dutch or German ones providing a greater force for assimilation? The main finding across all countries and groups considered is that the second generation has assimilated to the patterns of female advantage in educational achievement and attainment that we find among the majority populations in the countries under study. Furthermore, the variation in educational outcomes between men and women is generally smaller than that between different ethnic minority groups, suggesting that ethnic origin is a more important source of educational inequality than gender. Finally, our findings do not provide evidence for a consistent ‘double disadvantage’ in education (with regard to both immigrant/ethnic minority status and gender) for either girls or boys of ethnic minority backgrounds.

Ethnische Bildungsungleichheiten und die Effekte der Bildungssysteme

Prof. Dr. Hartmut Esser, Universität Mannheim

Ethnische Bildungsungleichheiten in Leistungen und Bildungserfolg sind ein in nahezu allen Aufnahmeländern vorzufindendes Phänomen, aber es gibt auch deutliche Unter-schiede im internationalen Vergleich. In dem Beitrag sollen zunächst einige dieser Unterschiede beschrieben werden, so weit wie möglich auch in der zeitlichen Entwick-lung. Vor diesem Hintergrund geht es dann um die Frage der speziellen Effekte der verschiedenen Bildungssysteme auf die ethnischen Differenzen in den Leistungen, auf das Leistungsniveau zwischen den Ländern und Bildungssystemen und die soziale Durchlässigkeit nach der Stärke des Einflusses der sozialen und ethnischen Herkunft. Besonders betrachtet werden dabei die Wirkungen der (frühen) Gliederung der Bildungs-wege in den differenzierten Bildungssystemen, etwa in Deutschland, Österreich oder den Niederlanden. Dabei wird auch auf aktuellere Ergebnisse zum Vergleich der Bundes-länder der Bundesrepublik Deutschland und evtl. Effekte spezieller Regelungen, wie die (Un-)Verbindlichkeit der Grundschulempfehlungen eingegangen. Die Befunde ent-sprechen nicht in allen Hinsichten dem in der Öffentlichkeit geläufigen Standardergebnis, wonach eine (frühe) Differenzierung nach Leistung das Leistungsniveau eher senke, die soziale Durchlässigkeit verringere und die ethnischen Differenzen verstärke. Es sieht vielmehr eher so aus, als profitierten (Migranten)Kinder unterschiedlicher sozialer Herkunft von jeweils unterschiedlichen Bedingungen der Differenzierung und Integration der Bildungssysteme und der damit einhergehenden intellektuellen und sozialen Segregation in den dazu gehörigen Schulen und Schulklassen.